28
Dez
2020

Ich bin ein Klischee

Ich habe gestern den Artikel “SEXISMUS, GEH STERBEN” von Diana Ringelsiep gelesen und obwohl mir schon lange bewusst ist, dass Frauen in der Punkszene prozentual weit (weit, weit) nicht den gleichen Raum einnehmen wie Männer, ließ er mich nicht in Ruhe. Die Punkszene sieht sich als aufgeklärt und tolerant und doch bekommen Frauen eher selten eine Bühne. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass Frauen darauf keinen Bock haben eine Band zu gründen oder im Rampenlicht stehen zu wollen? Oder wie der Artikel beschreibt, dass den weiblichen Punks die Vorbilder fehlen? Starke weibliche Persönlichkeiten hat aber die Szene. Viele nehme ich am Tresen oder vor den Locations wahr, wenn mal wieder ein dumm labernder Punk zurecht gewiesen wird.
Das wie und warum möchte ich aber gar nicht weiter erörtern. Da gibt es mit Sicherheit besser geeignete Leute dafür und Artikel von Diana sollte man an dieser Stelle wirklich empfehlen, wenn man sich mit dem Thema auseinandersetzen möchte. Ebenso die Reihe “Frauen im Musikbusiness” von Vinyl-keks.

Was mich aber weiter zu diesen Zeilen und dem folgenden Comic bewegte, war eine kurze Email-Unterhaltung, die ich kürzlich führte. Ich schrieb für etwas Promo meinerseits ein Fanzine an und bekam von einer weiblichen Mitarbeiterin eine freundliche Email als Antwort zurück. Trotzdem erhielt ich in ihrer persönlichen Meinung zum Comic harte Kritik von ihr, die mich erst einmal verdutzte. Sie meinte, dass sie einige Szenen meines Comics heftig fand und diese mit ihrer Vorstellung von Feminismus nicht konform gingen.

Mich schreckte das insofern, da ich dachte, dass ich meine Charaktere zwar plakativ gemacht habe, aber nicht unfair und Sexismus in der Story eher als Kritik an der Szene zu sehen sei. Mit dem gestrigen Artikel von Diana war mir aber klar, dass ich Probleme in der Szene zwar sehe, aber die komplette Punkszene ganz anders wahrnehme als Frauen und ich mit meinen Comics unbewusst auch wieder eher “Männer-Content für Weiße” mache – da kann ich noch so viel Bikini Kill und Sleater Kinney hören. Ich kann Geschichten nur so schreiben, wie ich Dinge erlebt habe, sehe oder mich hineinversetzen kann. Auch erfundene Geschichten werde ich meist nur aus meinem Blickwinkel als weißer Mann schreiben können und dabei manchmal Fehler machen. Ich persönlich finde das grundsätzlich nicht falsch und ich werde als ein weiterer weißer Mann im Punk trotzdem auch weiter “FickensaufenOi!” Themen in meinen Comics zeichnen “müssen”, weil dies (leider irgendwie) zur Szene gehört bzw. in der Szene präsent ist.

Viel wichtiger wäre es aber, der Szene ein stärkeres Gegengewicht zum “FickensaufenOi!” zu verpassen indem uns wichtig wird, mehr Frauen eine Bühne zu geben, auch damit sie Vorbilder weiterer Mädchen und Frauen (auch Männern und natürlich Divers) werden können und der Subkultur einen anderen Touch verpassen, in dem sich auch andere Menschen als nur weiße Männer wohl fühlen können. Und sollte es wirklich schon so viele aktive Bloggerinnen, Musikerinnen, Künstlerinnen geben, wäre es aktuell wohl wichtig als Veranstalter, Fanzine-Betreiber, Designer, diese weit stärker aus der “Weiße-Männer-Masse” hervorzuheben. Ansonsten sollten aber mehr Leute aus der Szene Frauen und Divers animieren, Bands zu gründen, Fanzines herauszubringen, Artikel zu schreiben, Comics zu zeichnen…

Punk ist für mich eine Parallelgesellschaft in der es keinen Leistungsdruck gibt, aber dafür jede Menge Spaß. Ein solidarisches Kollektiv, das gemeinsam nach oben tritt und zum Schlag nach rechts ausholt. Aber wo ist diese Entschlossenheit, wenn es darum geht, den Frauen aus den eigenen Reihen zuzuhören? Wollt ihr wirklich jedes Mal auf Durchzug stellen und alle Forderungen und Gesprächsangebote mit fadenscheinigen Ausreden abweisen? Oder gibt es da draußen auch ein paar Punks, die sich ihrer männlichen Privilegien innerhalb der Szene bewusst sind und uns supporten wollen? Ernstgemeinte Frage. Freiwillige vor.Diana Ringelsiep

Und an dieser Stelle biete ich auch gerne meine Möglichkeiten an, dies in meinem Rahmen stärker zu unterstützen. Gerne würde ich z.B. Comics von Comiczeichnerinnen auf meiner Website vorstellen. Schreibt mir dafür einfach eine Mail an donald@punksandbanters.de

 

 

Am Ende dieses Textes möchte ich gerne noch eine unvollständige Liste aktueller Punk-Bands mit weiblichen Bandmitgliedern erstellen (so weit ich weiß sind die alle noch aktuell). Eine Liste mit Comiczeichnerinnen im Punkbereich wäre meines Wissens nach extrem kurz:
Absolut Bastard | Acht Eimer Hühnerherzen | All For Nothing | Bad Cop / Bad Cop | Barb Wire Dolls | CLEARxCUT | The Coathangers | Dead Sara | Death by Snoo Snoo | Deine Cousine | DKDance | The Dead End Kids | The Distillers | Hass auf alles | INSEKT | The Last Gang | Lés Pünks | Lulu & die Einhornfarm | Mary Bell | Days N Daze | The Bombpops | The Interrupters | Combat Crisis | Grumpster | Otoboke Beaver | Totenwald | Naked Aggression | Sexbot | Not On Tour | Petrol Girls | Perm-A-Trend | Skating Polly | Stahlschwester | Diva Kollektiv | The Creepshow | Youth Code